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Sent, lö da paurs e poets chi's dan il man ün a l'oter
fand chadaina, consciaints d'esser il pövel rumantsch.

Duri Gaudenz: Epigrams engiadinais (I chatscha l'alba, 1980)

Geographisches Lexikon der Schweiz (1908)

Sent (Kt. Graubünden, Bez. Inn, Kreis Untertasna), 1433 m. Gem. und Pfarrdorf auf einer Terrasse am linksseitigen Gehänge des Unter Engadin, 3 km nö. Schuls und 55,4 km nö. der Station Bevers der Albulabahn, Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen Sent-Schuls. Gemeinde, mit Crusch und Sur En; 240 Häuser 966 reform. Ew. romanischer Zunge; Dorf: 232 Häuser, 934 Ew. Wiesenbau und Viehzucht. Der Ackerbau geht zurück. Schöne landschaftliche Lage. Zahlreiche Bürger von Sent leben als Handelsleute, Zuckerbäcker, Gastwirte, Kolonialwarenhändler etc. im Ausland und verbringen einen Teil des Jahres in ihrem heimatlichen Dorf. Höher oben quillt im Val Sinestra ein arsenhaltiges Mineralwasser. 930 und 1161: Sindes; 1178: Sinde. Der deutsche Name Sins für Gemeinde und Dorf Sent wird amtlich nicht verwendet, um jede Verwechslung mit Sins im Aargau auszuschliessen.
Durich Champell (1572)
„... ungefähr 600 Schuh ob dem Hügel liegt, ebenso gross und bevölkert wie Scuol das Dorf Sins, auf einer länglichen Bergterrasse, deren Rand gegen das Tal hin sich etwas erhebt und wallartig die ganze Terrasse einfasst. In verschiedener Entfernung voneinander liegen auf drei Vorsprüngen drei Kirchen, in denen allein im Unterengadin noch die Messe abgehalten wird. Dies obwohl viele Einwohner von Sent zu den Anhängern der neuen Lehre gehören, aber aus Rücksicht auf ihren alten Pfarrer, einem Gemeindebürger, ihre Treue zum alten Glauben halten. Auch hier, wie anderswo im Unterengadin, gibt es im Dorfe zwei Parteien, die Muscani und Pultini (aus den Familien Muos-cha und Pult), welche schon blutige Kämpfe miteinander ausfochten, wobei auch die Weiber mitbeteiligt waren.

Der Name Sins, rätisch Sent, wird bisweilen von dem Volk der Sentini oder Centini in Umbrien abgeleitet. Das Gebiet der Gemeinde ist grösser als man glaubt: anmutig und sehr fruchtbar, zumal an trefflichem Roggen und Weizen. Unterhalb Sins liegt die Nachbarschaft Muntatsch (Crusch) und ihr gerade gegenüber, jenseits vom Inn, öffnet sich gegen Mittag ein Seitental der Julischen Alpen, das Uinatal, das weitläufige Triften und einzelne Wohnungen enthält. ...“

Nicolin Sererhard (Einfalte Delineation, 1742)
SINS, Sent, liegt eine gute Stund ob Schuls zur linken auf einem Berg ziemlich hoch erhaben; ist auch eine schöne grosse ansehenliche volksreiche Gemeind in einer lustigen Situation ligend, bestehet in 270 bis gegen 280 wohl erbauenen Häusern, hat aber etwas weniger Genüge an Wasserflüssen, als andere benachbarte Gemeinden. Zu Sins stuhnde vormalen auch ein vestes Schloss St. Peters Burg, vor uralten Zeiten auch Nunsperg genannt.
Sent ligt nicht weit ob der Landstrass, die auf Remüs führt, an welcher under Sins auch ein kleines Nachbarschäftlin zu sehen, mit Nammen Crusch, bestehet, nur in drei Häusern oder Meyerhöfen, denen Herren Planta zuständig, gehört eigentlich gen Remüs, die Einwohner aber bedienen sich des Gottes Diensts zu Sent.
J. C. Heer (Streifzüge im Engadin, 1898)
... Zuerst gehts zum wilden Mann und zu den Bären im Uinathal.
Wir wandern eine halbe Stunde über Schuls hinaus und begrüssen das Dorf Sent, das romantisch in der Höhe liegt und wegen seines Reichtumes ebenso berühmt ist wie wegen seiner stolzen Paläste, die es beinahe zu einer Stadt machen. Die Senter stehen im Engadin im Ruf, etwas Bonvivants zu sein; ihre Bälle sollen, so erzählte man mir, früher wenigstens einen Prunk entfaltet haben, der an die Hoffestlichkeiten einer Residenz erinnerte; allein sie erfuhren vor einigen Jahren eine kleine Vereinfachung, als viele Bürger bedeutende Kapitalien, die vorher einem enormen Zins abgeworfen hatten, durch den Fall eines grossen Unternehmens in Livorno verloren.
Mögen die Senter immerhin fröhlich sein, ich wäre es auch, wenn ich in einem der stattlichen Häuser inmitten der wogenden Getreidefelder sässe, der Piz Pisoc mir in klassischer Schönheit in die Fenster leuchtete und ich mit dem Fernrohr den Bären zusehen könnte, die auf den Felsen des Uinatales spazieren.
... Dass die Bären im Uinatal sich nicht rudelweise herumtreiben, das beweisen die gesunden Kinder von Sur-En, die noch nicht wie Rotkäppchen aufgefressen worden sind.
Dr. med. P. Joh. Küng (Sent 1440 m)
Etwa 200 Meter östlich von den letzten Schulserhäusern geht links von der Poststrasse eine Verbindungsstrasse ab, auf welcher man zu Fuss in drei Viertelstunden mit mässiger Steigung nach dem Dorf Sent, dem grössten des Engadins, gelangt....

Sent hat eine sehr freie, sonnige Lage und ist nicht nur eines der grössten, sondern auch eines der schönsten Dörfer des Kantons Graubünden, ein stolzes Dorf im Alpenlande, wo nicht nur schöne Häuser zu sehen sind, sondern selbst Gassen und Strassen von Reinlichkeit und Ordnungssinn zeugen. ... Unmittelbar vor dem Eintritt ins Dorf steigt pyramidenartig ein Felsenriff hoch empor, auf dessen Scheitel die Ruinen der alten St. Peterskirche grau und düster aufstarren. Am Fusse derselben befand sich der Begräbnisplatz für Ischgl.

Eine Hauptstrasse durchzieht das Dorf in seiner ganzen Länge und in der Mitte desselben ist ein weiter Brunnenplatz, umstanden von prächtigen Häusern alten und neuen Baustyles. ...Der Weiler Crusch liegt 20 Minuten weiter unten an der Stasse von Schuls nach Remüs. Surèn ist tief unten in der Thalsohle jenseits des Inn an der Mündung des vom Schlinigberg und Uinathal herausströmenden Uinabaches.
G. Theobald (Naturbilder aus den Rätischen Alpen, 1920)
Von Schuls aus erreicht man, die Höhe ansteigend, das grosse Dorf Sent, deutsch Sins. Es ist das zweitgrösste Dorf im eigentlichen Unterengadin, schön gebaut, mit weiter Aussicht; die Freundlichkeit der gastlichen Bewohner wird manchem wie mir eine angenehme Erinnerung sein.
Reiseschriftsteller Hans Schmid (1922)
Sent gehört neben Guarda, Ftan und Tschlin zu den Unterengadiner Dörfern, die hoch hinaus wollen. Frei und kühn ist es hoch über dem Tal auf eine Bergterrasse gestellt: die Sonne blitzt in seine Fenster und der Piz Lischana funkelt in den Scheiben, und wenn Tarasp und Scuol schon im Anbendschatten liegen, glitzert und gleisst es noch oben in Sent. Grüne Wiesen, helle Roggenfelder und dunkle, ernste Engadinerwälder umrahmen das Dorf. Die Siedlung ist ganz kompakt: da sind keine Stadel auf die Weiden verzettelt, es ist alles eng zusammengestellt, Haus an Haus und Dach an Dach, und da die Bergterrasse nicht eben ist, so sind die Häuser unregelmässig gruppiert an holprig krumme Strassen gebaut.
Sent gilt seit alten Zeiten als ein reiches und vornehmes Dorf. Seine Bewohner haben den Ruf „Bonvivants“ zu sein, und es sollen in besseren Zeiten da oben Bälle von städtischem Aufwand veranstaltet worden sein. Es tut aber auch in der Tat, als ob es eine kleine Stadt wäre. Das darf man schon, wenn man 243 Häuser beisammen hat auf einer Höhe von 1433 Meter über Meer. Und was für Häuser: Mit breiten Fronten, hoch und pompös in verschwenderischen Dimensionen stehen viele Häuser da - palazzi, palazzi, würde der Italiener sagen. Alte Wohlhabenheit und aristokratischer Geist schauen aus den vergitterten Engadinerfenstern, den feinen Erkern, den Fassadenmalereien, den Wappen und den Türklopfern.
Franz Baumer: Traumwege durch Rätien
Immer wieder aber taucht, was die neuere Zeit betrifft, der Name Peider Lansel auf. Wer durchs Unterengadin wandert, findet zwischen Scuol und Martina, der Grenzstation nach Nauders in Tirol und letzten romanischen Sprachbastion, auf hochgelegener Sonnenterrasse wie das nachbarliche Vnà, das nicht weniger malerische Sent. Dort steht im Schatten des romanischen Turms der halbzerfallenen Kirche San Peder das Haus, in dem der Lyriker mit Vorliebe gearbeitet hat. ...
Erstaunlich bleibt, wie viele Poeten das romanische Graubünden hervorgebracht hat. Man könnte meinen, jedes Bergdorf habe seinen eigenen Dichter. So begegnet uns in Sent zum Beispiel nicht nur Peider Lansel, sondern wir finden dort auch das Haus Pult. Und von Jon Pult stammt der Vierzeiler an einem Nachbarhaus, dessen Aufforderung wir auf unserer Wanderung durch das Land der Räter, der Rätoromanen und Ladiner beherzigen sollten:

Die Gasse ist steil,
halt einen Augenblick inne,
die Hast der Welt
macht dich nicht glücklich.

Natürlich sind die Verse im klangvollen Ladin des Unterengadin geschrieben, das man laut aufsagen muss, um seine ganze Kraft und Mulikalität zu empfinden.

La giassa es stipa,
at ferma ün mumaint,
la prescha dal muond
nu't renda cuntaint.
Jon Guidon: Sent
Cur cha't vez cavia
Sün la spuonda, Sent,
dod eu üna melodia
gnir cul vent.

Il resun da poesia
nan d'antic clucher,
leid rebomb dad allegria
our da Val Laver.

Trists accords d'increschantüna
gnüts da l'ester nan,
clings d'umor e buna glüna
chi impringias fan.

Chant d'amur cumplida
pro'l retuorn in val,
plant d'amur chi crida
our il Plan Tiral.

Cur cha't vez cavia
Sün ta spuonda, Sent,
dod eu tia melodia
gnir cul vent.

(A l'ami dr. Jon Pult)